Herrenberg Rohrau

Rohrau O/A Herrenberg

Notizen für die Sammlung volkstümlicher Überlieferungen in Württemberg

Als Konferenzaufsatz
auf 1. Dez. 1900

von
Schullehrer Fischer, Rohrau


Sitte und Brauch:

im Alltagsleben:
Frühstück nach dem Aufstehen, während oder nach dem Füttern; Vesper um 9 - 10 Uhr ("neunela"); Mittagessen um 12 Uhr oder wenn`s gekocht ist; Vesper um 4 Uhr, winters bei Einbruch der Nacht; Nachtessen, wenn Feierabend ist.

Vor dem Essen wird von den Eltern, gewöhnlich von der Mutter gebetet. Meist sprechen auch die Kinder, welche noch in die Schule gehen , der Reihe nach je ein kurzes Gebet. Nach dem Essen wird ebenfalls gebetet, in manchen Familien auch ein Kapitel aus der Bibel gelesen.

Abends wird zweimal vom Kirchturm geläutet, bei Eintritt der Dämmerung die "Betglock", bei Eintritt der Nacht das "Aufem Märaga", da müssen die Kinder nach Hause.

Nach Feierabend nähen oder stricken die Mädchen und Weiber, die Mannen rauchen und unterhalten sich oder gehen ins Wirtshaus. Spinnstuben giebt es keine mehr, bloß "Außelauf", wobei die ledigen Bursche bei irgend einem jungen Ehepaar zusammenkommen, welches willens ist, sie bei sich zu dulden. Man raucht, kartelt, macht schlechte Witze und dergleichen. Der Hauswirt erhält gewisse Entschädigungen, z.B. wird ihm das Erdöl bezahlt.
Zur Zeit des Dreschens beginnt die Arbeit morgens um 6 Uhr, sonst steht man auf und legt sich zu Bett, wenn es die Geschäfte erfordern.

an Fest- und Feiertagen:
Wer in der Christnacht nach 12 Uhr zuerst Wasser am Brunnen holt, der hat das ganze Jahr das schönste Vieh im Stall.

In der Sylvesternacht um 12 Uhr kann man einen Blick in die Zukunft thun. Man nimmt eine Zwiebel und schneidet sie in der Mitte auseinander. Da dieselbe aus mehreren fleischigen, konzentrisch übereinanderliegenden Blättern besteht, welche sich voneinander lösen lassen, so erhält man dadurch halbkugelförmige Schalen, "Zwiebelschüsselchen." Man nimmt 12 solche Zwiebelschüsselchen, legt sie in eine Reihe, wobei jedes einen Monat des kommenden Jahres bedeutet, und streut in jedes etwas Salz. Ein Schüsselchen, welches Wasser zieht, bedeutet, daß der entsprechende Monat des kommenden Jahres ein nasser sein wird; ein Schüsselchen, welches trocken bleibt, bedeutet, daß der entsprechende Monat trocken sein wird.

Noch etwas anderes kann man mittelst dieser Zwiebelschüsselchen erkunden. Man legt in jedes einige Körnchen (Weizen oder Dinkel) und hält sie der Reihe nach über ein Licht, wobei das erste wieder den "Jänner", das zweite den "Feber", das dritte den März usw. bedeutet. Springen die Körnchen hinaus oder regen sie sich bloß, so wird in dem entsprechenden Monat des kommenden Jahres alles teuer sein; bleiben die Körnchen jedoch regungslos, so giebt es einen billigen Monat.

In der Sylvesternacht wird von den ledigen Burschen zuerst dem Schultheiß, dann dem Schullehrer das Neujahr angesungen. Sie singen das Lied: "Jesus soll die Losung sein..." Auf den Gesang folgt lärmender Neujahrswunsch und tolles Schießen.

An Neujahr kommen alle Kinder, von denen an, welche kaum gehen können, bis zu den 14jährigen in die Schule und bekommen dort einen Vogel d.h. ein Gebäck von vogelähnlicher Form. Es soll dies von einer alten Stiftung herrühren. In Wirklichkeit werden diese Brote aber nicht aus Mitteln der Stiftung, sondern aus der Gemeindekasse bezahlt..

An der Fasnet trinken die Buben im "Außelauf" (s. I,1) miteinander ein Faß Bier.

Wer am Palmsonntag Morgen zuletzt aufsteht, ist der "Palmesel."

Am Karfreitag soll man dem Kindern zum erstenmal das Haar schneiden, dann wächst es am besten. Läßt man Eier, die am Karfreitag gelegt wurden, ausbrüten, so bekommen die daraus entstehenden Hühner alle Jahre Federn von anderer Farbe. Giebt ein Mädchen ihrem Schatz Karfreitagseier morgens nüchtern zu essen, dann "bricht er nicht", d.h. er hält ihr die Treue. Wer Karfreitagseier im Haus hat, bei dem schlägt das Wetter nicht ein. (s.auch unter I,3)

In der Nacht auf den 1. Mai stecken die ledigen Bursche "Maien", und zwar einen riesigen mitten im Flecken, der gilt dem ganzen Ort, und kleinere vor den Fenstern ihrer "Schätze."
Ein Kranz von "Mausaierle", am Himmelfahrtsfest gepflückt und mitten in die Stube gehängt, schützt das Haus vor Blitzschlägen.

Ein alter Brauch ist es, daß die ledigen Bursche in der Nacht auf Pfingstmontag Eggen am Brunnen aufstellen und an ihre Zähne Milchhafen aufhängen, welche sie den nachlässigen Leuten von den Fensterbrettern wegholen. Überhaupt wird in dieser Nacht allerlei Schabernack verübt. Einem Manne wurden die Räder vom Wagen herausgezogen und auf benachbarte Bäume gehängt. Einem andern wurde der Wagen auseinandergemacht, auf die Bühne getragen und dort wieder zusammengesetzt.

Am Mittwoch nach der Kirchweih zogen die ledigen Bursche mit Musik ins Teufels Loch (Schlucht am Schönbuch), machten daselbst eine Grube, legten einige Viertel Kuchen hinein, begossen dieselben mit einer Bouteille Wein und tanzen darum her. Das nannte man "d` Kirwe vergraba."

Ein Unglückstag ist der 1. April, desgleichen der 10. August. An letzterem Tage wurde der Teufel vom Himmel gestoßen.

im menschlichen Lebenslauf:
Eine Schwangere soll man nicht zur Rede stellen, wenn sie nimmt, wonach sie gelüstet.
*
Die Kinder holt die Hebamme in der Brunnenstube (gefaßte Quelle; von hier aus Wasserleitung zu laufenden Brunnen des Orts).
*
Einer Wöchnerin giebt man als erstes Geschenk Wecken und zwar eine Gevatterin 6, jemand anders 4. Der erste Ausgang der Wöchnerin soll in die Kirche gerichtet sein. Wenn kein Gottesdienst stattfindet, den sie besuchen könnte (Rohrau ist Filial), soll sie den Schlüssel fordern, in einen "Stand" (Kirchenstuhl) hineinstehen und ein Gebet sprechen. Wenn die Wöchnerin unbeschrieen in die Kirche geht und unbeschrieen und ohne ein Wort zu sprechen wieder heimkommt und sogleich sich hinsetzt, ihre Kleider öffnet und das Kind trinken läßt, dann wird es leicht zahnen. Wenn eine Wöchnerin an den Brunnen geht, ehe sie in der Kirche gewesen ist, giebt es im Wasser viele "Geuzen" ( die im Wasser lebenden Larven der Schnecken culex pipicus).
*
Getauft wird das Kind , sobald der Geistliche hieher kommt. Es ist vorgekommen, daß ein Kind am Samstag Nacht um 10 Uhr zur Welt kam. Am folgenden Sonntag um 8 Uhr war Gottesdienst, dann wurde das Kind am Schluß desselben, um 9 Uhr, schon getauft. So lange das Kind noch nicht getauft ist, läßt man bei Nacht stets ein Licht brennen, damit keine Hexe kommen und das Kind verwechseln kann: Man läßt auch nicht gerne andere Leute das Kind besichtigen, man fürchtet sich vor dem "Versehen." Paten werden die nächsten Verwandten, Kameradinnen, z.B. meistens die Brautjungfer, "G`spiel" von der Hochzeit her. Diese trägt dabei den Kranz, den sie dort nicht getragen. Ein größerer Taufschmaus ist nicht üblich. Es giebt bloß Kaffee mit "dickem Kuchen". Der Kindsvater zahlt den Gevatterleuten zum Schluß noch meist einen Schoppen im Wirtshaus.
*
Für die Namengebung giebt es keine bestimmten Regeln. Meist bekommen die ersten Kinder den Namen der Paten, auch der Eltern. Neuerdings werden vielfach ganz moderne Namen gewählt, um die vielen gleichen Namen im Ort zu vermeiden. Doch sind Namen wie Michel, Jakob, Christian, Hannes noch häufig, und ihre Träger schämen sich ihrer nicht. Von Doppelnamen kommt nur noch der Hansjörg vor.
*
Ein Bursche ist der erklärte Liebhaber eines Mädchens, wenn sie mit ihm auf eine Hochzeit geht und sich von ihm Braten und Wein auftischen läßt. Der auswärtige Liebhaber eines Mädchens bekommt Prügel, wenn ihn die einheimischen Bursche erwischen. Ein Bursch und ein Mädchen haben oft lange ein Verhältnis, das im ganzen Dorf jedermann weiß. Endlich, wenn es das Alter und die Umstände gestatten, schreiten sie zur Heirat.

Der Bursch wirbt selbst um seinen Schatz: Das Mädchen bereitet die Eltern etwa durch folgende Worte vor: "Heut Obed wurd au der Bua komma, wo me heirada will!" Natürlich ersieht sie dann aus der Antwort der Eltern schon so ungefähr, wie die Sache ablaufen wird. Abends kommt dann der "Kerle", und wenn alles klappt, erfolgt der "Handschlag." Sie sind nun "Hauzeiter" und "Hauzeitere". Er kauft ihr gewöhnlich ein Granatennuster, sie ihm Hut, Weste und Hemd. In neuerer Zeit werden stets auch Ringe gekauft.

Zur Aussteuer gehört neben dem verschiedenen Weiß- und Bettzeug und dem Schreinwerk, das sich in Menge und Qualität nach dem Geldbeutel und dem guten Willen des Vaters richtet, eine Mulde, eine Wiege, ein Quantum Korn, früher auch eine Kunkel. Der Aussteuerwagen wird bekränzt.

Die Hochzeiten sind am Dienstag oder Donnerstag, neuerdings auch am Samstag. Ist die Braut von auswärts, so wird sie vom Bräutigam und seinen Kameraden "eingeholt". Bei dem Auszug aus der Heimat und bei Einzug in den Ort wird sie "eingefangen", d.h. zwei Knaben spannen ein bebändertes Seil über die Straße, auf welcher sie kommt, und sie muß sich mit einem Trinkgeld auslösen.

Beim Kirchgang ist bloß ein Brautführer und eine Brautjungfer vorhanden. Der Bräutigam führt die Braut, dem Zug voran gehen Kinder. Jeder ledige Teilnehmer, jede ledige Teilnehmerin am Kirchgang, der vom Rathaus aus angetreten wird, erhält ein Sträußchen von künstlichen Blumen. Ledige Bursche schießen, wofür sie ein Faß Bier erhalten. Musik giebt es keine mehr. Früher war bei den Hochzeiten meistens Musik. Diese führte den Hochzeitszug vom Wirtshaus in die Kirche und holte ihn dort wieder ab. Nachher spielte sie zum Tanz. Getanzt wurden Ländler, Walzer und "Khalopp": Als das non plus ultra der Tanzkunst gilt heute noch der "Siebensprung". So viel ich darüber in Erfahrung bringen konnte, war es ein Solotanz, ausgeführt von einem Mannsbild. Der Sänger hatte dabei ein volles Weinglas auf dem Kopfe, das er nicht verschütten durfte. Es wird hier ein alter Mann genannt, der ihn noch können soll. Er war jedoch nicht zu bewegen, nähere Auskunft über den Tanz zu geben oder gar ihn vorzutanzen.

Beim "Kupplinoa" sollen die Brautleute so dicht zusammenstehen, daß keine Stecknadel dazwischen fallen könnte. Dann werden böse Leute ihnen nichts anhaben können. Wenn das Gebot des Geistlichen erfolgt: "So reichet hierauf einander die rechte Hand!", sehen viele darauf, ob der Bräutigam die Hand oben hat, d.h. so, daß sein Handrücken aufwärts sieht und die Hand der Braut unten ist. In diesem Fall ist er künftig der Herr im Hause; bringt er aber die Hand unten hin, wird es die Frau sein. Wenn das Brautpaar zur Trauung in die Kirche gegangen ist, sollen die ganze Zeit über dessen Ehebetten geschlossen bleiben. Ist dies nicht möglich, so lege man den Psalter oder ein Gebetbüchlein unter den "Gnipfel". Krankheit und Siechtum warten derer, welche diese Vorsichtsmaßregel versäumen und einer bösen Hexe dadurch Gelegenheit zum Unheilstiften geben. Auch durch einen Bändel mit drei Knöpfen, den die Hexe dem Brautpaar so auf den Weg legt, daß es beim Kirchgang darüber schreiten muß, wobei sie dem Bändel ein ganz unschuldiges Ansehen zu geben weiß, kann schweres Unheil gestiftet werden. Man soll einem solchen furchtbaren Bändel, der etwa im Wege liegt, in einem Bogen ausweichen.

Das Hochzeitsessen ist im Wirtshaus. An demselben nehmen teil die Eheleute, die Gespielen, die beiderseitigen Eltern und Geschwistern. Letztere werden jedoch weggelassen, wenn ihrer zu viele sind. Sämtliche andere Personen zehren auf eigene Kosten. Es giebt Kalbs- und Schweinebraten und Bratwürste mit und ohne Salat, auch Schweinefleisch und Kraut mit Griebenwurst. Dazu wird Wein getrunken. Jede Familie sendet jemand zur Hochzeit. Jeder Vertreter einer Familie schenkt gewöhnlich beim Weggang eine Mark. Erwachsene und selbständige Glieder einer Familie schenken besonders. Die Brautleute müssen die ankommenden Gäste alle bewillkommnen und verabschieden. Die Braut schenkt aus Anlaß des Hochzeitladens jeder ihrer ledigen Kameradinnen eine Schürze.
*
Volksheilkunde und Sympathie

Einem Verhexten soll man 3 Tropfen Blut (weniger nicht - mehr darf es sein) herauslassen und in der Karfreitagnacht "verpflanzen." Letzteres geschieht also. Man bohrt ein Loch in einen Weidenbaum, gießt Schlag 12 Uhr das Blut hinein, spricht dazu ein Verslein (den Wortlaut desselben konnte ich nicht sicher feststellen; er lautet etwa. "Jetzt verwahr`s wie der Tot` im Grab" - Dazu die 3 höchsten Namen) und verschließt das Loch mit einem "Stöpper". Wie das Loch verwächst, so nimmt das Leiden des Behexten ab.

Kürzlich hatte ein Kind durch allzu heftiges Schreien einen Bruch bekommen. Man wandte folgendes alte Mittel an. In der Karfreitag Nacht begaben sich die Eltern mit dem Kinde unbeschrieen in den Wald. Dort wurde ein junges Eichbäumlein so geschlitzt, daß der Gipfel und der Wurzelhals nicht geteilt waren, sondern ganz blieben. Schlag 12 Uhr wurde das Kind durch den gemachten Schlitz hindurchgeschoben unter Anrufung der 3 höchsten Namen. Wie der Schlitz im Eichbaum verwächst, so verwächst der Bruch des Kindes.

Wenn ein Kind an Bettnässen leidet, soll man eine nasse Windel von ihm "unberaffelt" einem Toten ins Grab mitgeben. Natürlich muß man sich vorher mit den Angehörigen des Toten verständigen.
Das wichtigste Zauberbuch ist das VI. oder VII. Buch Mose: Von einer Besitzerin desselben wurde erzählt, daß sie es in der Ferne "spürte", wenn sich ein Unbefugter in ihrer Abwesenheit heimlich mit demselben zu schaffen machte.

Eine "Gockelerzunge" einem Mädchen zu essen gegeben, oder das von den Nägeln Abgeschabte ihr im Trinken gegeben, bewirkt, daß sie den Geber lieben muß. Eine durch solche Dinge herbeigeführte Ehe ist aber nie eine glückliche.
*
Stirbt jemand, so öffnet man sogleich einige obere Fensterflügel.
Bei dem Toten läßt man ein Licht brennen, oder es wachen bei ihm Angehörige, Freunde und Nachbarn. Doch wird dieser Brauch nicht mehr so streng gehalten.
Ins Grab giebt man den Toten eine Zitrone mit, die man ihnen in die Hand drückt, einer Wöchnerin Nadel, Schere und Faden. Eine Jungfrau wird bekränzt.
Damit die Toten nicht wiederkehren, trägt man sie verkehrt zum Hause hinaus.
Die Trauerzeit ist 1 Jahr.

in Haus- und Feldwirtschaft:
Den Garten bestellen soll man an Gertrud (17. März), Hanfsamen an Hiob (9, Mai) säen, Kartoffeln nicht im Krebs stecken, sondern am Soter (22. April), Kraut im abnehmenden Mond setzen, Gerste am Mittwoch oder Freitag vor Sonnenaufgang säen, dann gehen die Vögel nicht daran.

Ein frommer Pfarrer schützt bei schweren Gewittern die Markung vor Hagel durch die Macht seines Gebetes, dies ist hier ein sehr verbreiteter Glaube. Wenn es in einer Gemeinde hagelt, dann hat der Pfarrer "keinen Wert", hört man vielfach äußern.

Dasselbe wird von dem früheren Schulmeister Lorch hier behauptet, der als frommer Mann heute noch in sehr hohem Ansehen steht. Als er einst verreist war, hagelte es hier. Er ging stets ums Feld und "betete, wenn das Korn so dastand."

Nach der Ernte wird "Sichelhenget" (en = e mit Nasallaut), nach dem Dreschen "Pflegelhenget" gefeiert. Dazu werden jedesmal Kuchen gebacken.

Wer neue Ochsen gekauft hat und bringt dieselben in seinen Stall, legt unter die Thüre Mistgabel, Schaufel und Besen übers Dreieck und läßt das Vieh darüber hinweg steigen . Dadurch werden sie geschützt gegen Verhexung.

Spannt ein Bauer sein noch ungewöhntes Vieh zum erstenmal ein, dann hat er es gar nicht gern, wenn man ihn dabei "beraffelt."

Wenn ein Stück Vieh zum Hagen geführt wird, soll es kein Weib "beraffeln."

Nach dem "Aufem Märaga"läuten giebt die Bäuerin keine Milch mehr über die Straße, sonst kann ihr Vieh verhext werden.

Man sieht es nicht gern, wenn es an Himmelfahrt regnet.

Wenns an Fronleichnam regnet, giebt es einen nassen "Haibet" (Heuet).

Die Witterung der 12 Tage von Weihnachten bis Epiphanien zeigt die Witterung der 12 Monate des kommenden Jahres zum voraus an.
Der 100jährige Kalender steht in großer Achtung. Alle 100 Jahre kommt der gleiche Jahrgang wieder.

beim Handwerk:
Im kleinen Dorf (ca. 450 Einwohner) giebt es 1 Bäcker, 1 Metzger, 3 Schneider, von denen einer nur Weiberröcke macht, 1 Wagner, der früher die Umgegend mit Futterschneidemaschinen versorgte, daher "Maschinenmacher" genannt, 1 Schreiner, 2 Schmiede. Der Schneider arbeitet im Hause der Kunden, aber nur noch selten.

Rechts- und Verwaltungsbräuche:
Den Staat betrügen gilt nicht als Unrecht. Holz und Laub im Wald stehlen oder wildern ist für niemand eine Schande.

Beim Handel wird ein "Bott" gemacht, das meist mit einem Handschlag begleitet wird.. Die Annahme eines "Botts" (Angebots) wird stets mit einem Handschlag bekräftigt. Ohne solchen wird der Handel gar nicht als giltig betrachtet.
An Martini wanderte früher Knecht und Magd.
Ausdingrecht kommt nicht vor.
Alle Geschwister erben gleich.
Höfe gibt es keine.

Die Herren vom Untergang, welche nicht redlich waren, schlagen sich nach ihrem Tode an dem Orte des Frevels die Meßstangen um die Ohren. Wer die Grenzsteine verrückt hat, muß nach Betglockenläuten hacken um den versetzten Grenzstein herum.
Flurzwang besteht noch.
Der Marktverkehr geht nach Herrenberg, für Viehkauf und -verkauf auch nach Ehningen, Böblingen, Weil der Stadt und Ofterdingen.

Nahrung und Kleidung, Wohnung und Geräte:

Nahrung:
Eigentümlich ist der Habermehlkuchen. Habermehl wird mit Rahm und Salz zu einem Brei angerührt, dieser auf einen gewöhnlichen Kuchenteig aufgetragen, einige Zwiebelschnittchen und Speck oder Schmalzbröcklein darauf gesetzt und das Ganze gebacken.

Die Gurken werden in nicht sehr dünne Scheibchen geschnitten, im Schmalz gedämpft und warm aufgetragen.

Kleidung:
Die Kleidung war früher wie zum Teil noch jetzt: gelbe Lederhosen bis zum Knie, weiße Strümpfe, früher Schnürschuhe (Latschen), später Wadenstiefel, rotes Scharlachbrusttuch, bei reichen Bauern mit Silber-, bei Taglöhnern und Knechten mit Stahlknöpfen, blaues Wams, beim Herrn von Tuch, beim Knecht von Manchester, für die Kirche ein Tuchrock mit langen Schößen, Pelz- oder Sammetkappe, oben mit Goldtroddel. Handwerker trugen lange Kleider.

Bei den Weibern: Bändelhaube, Faltenrock, Leible mit Wülsten an den Hüften als Halt für den Rock, Kittel mit engen Ärmeln. Als Schmuck trugen sie Nuster und sehr breite silberne Fingerringe mit geprägtem Muster und eingraviertem Namen, oder geflochtene Haarringe mit goldener Platte. Bei den Weibern gab es verschiedene Hauben: die Hochzeitshaube (Schappel), die Nachtmahlshaube mit seidenem Flor, die Sonntags-haube, die Festhaube u.s.f.

Die ledigen Mädchen trugen breite Bändel an der Haube, die Verheirateten schmale.

Bei Trauer oder bei feierlichen Gelegenheiten, z.B. wenn sie zum Nachtmahl gingen, trugen die ganz alten Mannen (vor ca. 50 Jahren) einen ärmellosen schwarzen Mantel, der, am Hals zusammengeköpft, lang hinten hinabhing.

In der Trauerzeit behielten die Weiber stets ihre großen Hüte auf und ihren Kittel an und zwar überall, z. B. auch bei der Feldarbeit im heißesten Sommer. Außerdem trugen die Frauen beim Trauern (auch jetzt noch) eine schwarze Schürze und ein schwarzes Halstuch, die Mannen ein schwarzes Halstuch und einen schwarzen Flor um den Arm.

Bei der Halbtrauer ist die Schürze nicht mehr ganz schwarz, sondern hellfarbig gemustert.

Außerdem trugen die Weiber in der Trauerzeit die Zöpfe hinaufgeschlagen, sonst hängend.

Wohnung und Geräte:
Der Schlafraum war früher meist ein Alkoven d.h. ein kastenartiger Einbau in die Kammer, so daß das Bett dem Raum nach in der Kammer stand, aber, weil der Alkoven gegen die Stube keine Wand, sondern nur einen Vorhang hatte, doch in der Stube war.
Ofenbänke trifft man in alten Häusern noch, desgleichen vielfach noch die kupfernen Ofenhafen von verschiedener Größe, die rechts und links neben der Feuerung im Ofenloch aufgestellt und mittelst der Ofengabel gesetzt und gehoben werden.

Gesponnen wird mit dem Spinnrad.
Als Kummetschmuck tragen die Rosse gelbe (messingene) Rosetten, Kämme, "Schmotzbüchslein" (meist leer) und roten Lappen, gelbe, ringförmige breite Schnallen.

Glaube und Sage:

Gespenster etc.:
Vor nicht langer Zeit entfernte sich ein hiesiger Bauer von seiner Familie. Nachdem man lange vergeblich nach ihm geforscht hatte, fand man ihn endlich erhängt in einem Walde im Oberamt Leonberg. -

Als man über seinen Verbleib noch im Unklaren war, er aber, wie sich nachher herausstellte, schon hing, hörte sein Vater einmal nachts unten im Hause klopfen. Er schaute zum Fenster hinaus, da erblickte er den Vermißten unten in eben dem Anzug, in welchem er sich entfernt hatte. Er rief hinab: "Wart a bisle, David, i will der d` Hausthür uffmache!" Als er hinabkam, sah er niemand mehr.

Ein Nachbar des Genannten wachte in der Nacht an einem Geräusch auf. Er richtete sich im Bett auf. Da erblickte er den Erhängten, wie er leibte und lebte. Derselbe beugte sich über das Bett des jüngsten Kindes, das er, selbst kinderlos, im Leben sehr gern gehabt hatte. Hierauf ging er mit schlurfenden Schritten in die Kammer, wo die beiden anderen Kinder lagen, kam sogleich wieder heraus und verschwand, wobei der horchende Nachbar keine Thüre gehen hörte.

Nach dem allgemeinen Glauben muß ein Selbstmörder so lange gehen, als sein Leben, das er gewaltsam abkürzte, gedauert hätte.
In der Gegend des Schloßbergs geht der "Schloßberger" um. Vor 50 Jahren wurde er noch "streng" (d.h. oft) gesehen. Er erschien namentlich den Leuten, welche zu irgend einem Zweck im Walde waren

Der Vater eines jetzt noch lebenden Mannes schnitt einst Weiden in seinem Walde beim Schloßberge. Plötzlich stand der Schloßberger vor ihm, gekleidet als Jäger in "ein grünes Fräckle" mit langem Barte. In dieser Gestalt sollen ihn noch viele Leute gesehen haben, z.B. Mädchen, welche Beeren suchten.

So waren einst zwei Mädchen (sie leben heute noch) im Walde. Plötzlich kam die eine, jüngere, zur andern und sagte: "Komm, wir wollen heimgehen!" Das verstörte Wesen derselben machte auf die andere einen solchen Eindruck, daß sie ohne weiteres mit ihr ging. Als sie vor dem Walde draußen waren, fragte die erste: "Du, hast du nichts gesehen?" - "Nein!" - "Es ist ein Mann an uns vorbeigegangen, der hatte den Kopf unterm Arm." - Die andere hatte nichts gesehen. Nicht alle Leute können Geister sehen.
Alte Leute sahen ihn auch schon nächtlicherweise die Hornsteige auf- und abreiten (ein Weg, der auf den Schloßberg führt. S. III,5 S.33 - Paginierung bezieht sich auf das Original / Anmerkung des Transskriptors) auf einem Weißschimmel, der nur 3 Füße hatte. Die Eisen waren demselben verkehrt aufgeschlagen, der Reiter hatte den Kopf unterm Arm.

Manchmal kam er auch über die Hofäcker gefahren mit vier schwarzen Katzen.

Vor 100 Jahren hörte man ihn auch noch dreschen auf dem Schloßberg zu viert oder acht.

Mannen, welche im Walde Holz machten, sagten einst zum Spaß: Ha, wenn wir nicht fertig werden, der Schloßberger solls voll machen! Selbige Nacht hörte man ihn sägen im Wald.

In der Lade (Flurname) geht ebenfalls ein Geist, der "Ladengeist." Männer, welche nachts in einer Hütte ihr Obst hüteten, fühlten sich an den Füßen gepackt. Als sie herauskamen, bemerkten sie ein schwarzes, pudelartiges Tier.

Als Pudel erscheint der Ladengeist meistens, vom "Kreut" herkommend, oft auch als "Lämmchen."

Zu dem hinter einem Hause gegenüber der Krone gelegenen Garten wurde auch schon ein Kapuziner gesehen.

Irrlichter gab es früher oft und viel. Es waren solche zu sehen bei den Weinbergen und am "Eisenbergle". Oft sah man ein Licht herumschweben vom Eisenbergle bis zum Bach nahe am Ort. Dies war der "Schofwiesengoascht." Eine Frau erzählte mir, ihre Mutter habe oft zum Kammerfenster hinausgewiesen: "Seahad er wieder des Licht?". Die Lichter fuhren manchmal in die Höhe so hoch wie ein Wiesbaum, manchmal brannten sie so hell wie ein "Schaub:" Jetzt sieht und hört man nichts mehr von diesen Irrlichtern.

Von Ehningen nach Rohrau führt ein Fußweg fast ohne Richtmarken durch das weite, von flachen Höhenzügen durchzogene Thal. Kommt man vom Weg ab, so verirrt man sich namentlich bei Nacht sehr leicht, weil auch eine Menge Wege das Thal durchziehen, und kann ganze Nächte im Thal umherirren. Ein Geist, ein Irrlicht, führt die Leute die ganze Nacht im Thal herum. Morgens finden sie, daß sie wieder da sind, wo sie die Wanderung begonnen haben.
Nicht sauber ist es am Brückle zwischen Rohrau und Nufringen, ebenso am "Lindeleshäusle" (Unterstandshäuschen mit davor gepflanzten Linden) zwischen Rohrau und Gärtringen.

Zauber etc.:
Ein berühmter Zauberer, der auch die Rohrauer Kundschaft besitzt, ist "`s Hexamanle" (an = a mit Nasallaut, wie das französische en) zu Ober-Jesingen. Bei ihm kann man auch Amulette zum Anhängen haben.

Der Hexenbanner von Jesingen kann den Stall auch "festmachen." Man bekommt von ihm Zettel mit Zauberzeichen oder -sprüchen, die man mit je 3 Nägeln in den Ecken des Stalls befestigen muß. Dies soll unbeschrieen und unbesehen geschehen.

Früher kam es sehr häufig vor, daß man morgens die Pferde im Stall fand, schweißgebadet, bedeckt mit Schaum und die Haare in Zöpfe geflochten, obgleich es nicht möglich war, daß ein Mensch in den Stall hineingekommen sein konnte. Eine Hexe oder ein Hexenmeister hatte sie nachts geritten.
Brennt man unter Beachtung gewisser Bräuche ein derartiges Pferd mit einem glühenden Eisen, so wird die Hexe am nämlichen Körperteil auch gebrannt..
Hexen gab es früher mehr als jetzt.

Vor nicht langer Zeit starb hier eine alte Frau, die war eine, und schon ihre Mutter. Ein Nachbar ließ einst ein gesundes und kräftiges Kalbele im Hof umherführen. Weil es so tolle Sprünge machte, ging letzterer auch zum Hof hinaus auf die Gasse. Eben jene Frau öffnete das Fenster und fragte: "G`hört des Kalbele euch?" Die Antwort war ein Ja. Zwei Tage darauf wollte man es wieder hinausführen, da fiel es um. Von da an bekam es sonderbare Zufälle. Es drehte ihm den Kopf herum, daß die Hörner oft abwärts standen. Man mußte es dem Metzger für ein Spottgeld verkaufen. Jenes Weib hatte es verhext.

Gegenwärtig leben noch 2 Hexen in Rohrau, Schwestern. Die eine war schon in jungen Jahren eine Hexe. Da fand man sie einst im Öhrn liegen wie tot, das Gesicht unten (oder umgedreht; der Erzähler wußte das nicht mehr genau). Da war sie eben auf der Reise. - Eine Wöchnerin lag einst in ihrem Bette so im Halbschlummer. Plötzlich wachte sie auf. Eben sah sie, wie eine Hexe ihr Kind fortnehmen wollte. Sie erkannte eben jene Frau. Schnell, warf sie mit der rechten Hand das Kissen auf den Boden, da mußte sie es dalassen; sie war machtlos. - Kinder werden angewiesen, von diesem Weib nichts anzunehmen, sie kann ihnen "vergäa"(vergeben). Wenn sie z.B. ein Brot von ihr essen, müssen sie Schuhnägel brechen.

Eine Wöchnerin soll man nicht allein lassen, ehe ihr Kind getauft ist. Auch soll man stets ein Licht brennen wegen der Hexen, welche das Kind fortnehmen und ein anderes, häßliches, einen Wechselbalg, dafür bringen. Man soll das Kind nie ins Bett legen, ohne zu sagen: "In Gottes Namen." Kommt eine Hexe, dann darf man nur mit der rechten Hand das Kopfkissen auf den Boden werfen, dann muß sie weichen.

Die Hexen brauchen das Blut und gewissse Körperteile ungetaufter Kinder zu ihren Hexereien.

Wechselbälge sind kenntlich an ihrem großen Kopf. Sie gedeihen nicht, und wenn sie nicht sterben, so bleiben sie Zwerge. Die Eltern werden dadurch getäuscht, daß der Wechselbalg eine gewisse Ähnlichkeit mit dem geraubten Kinde hat.

Kürzlich wurde erzählt: 2 junge Männer, die im gleichen Haus wohnen, werden oft nachts von einer Hexe geritten. Dieselbe kommt zum Kammerfenster herein. Wenn das Weib ihren Mann "aunsga" hört, ruft sie ihn beim Namen, dann weicht die Hexe.

Die Hexen melken auch Kühe aus bei Nacht. Um 12 Uhr werden die Kühe unruhig und ängstigen sich vor einem unsichtbaren "Etwas." Man soll alsdann den 91. Psalm lesen.

Ein Mann, dessen Frau eine Hexe war, ohne daß er es wußte, erlebte folgendes, als sie Wöchnerin wurde. Eines Sonntags drängte und trieb die Frau alle Leute im Haus, daß sie sollten in die Kirche gehen. Weil sie so drängte, faßte der Mann Mißtrauen und that, als ob er ginge, kehrte aber bald heimlich zurück und begab sich auf die Bühne, von wo er durch ein Loch im Deckengetäfer in die Stube sehen konnte. Da erblickte er zu seiner Verwunderung ein kleines "Manle" bei seinem Weib in der Stube. Nach kurzer Zwischensprache, von welcher er nichts verstand, zog das "Manle" ein Buch aus der Tasche, in welchem der Späher auf einer Seite auch den Namen seines Weibes erblickte. Hierauf holte die Frau das Kind aus der Wiege. Das "Manle" zog eine Feder und ein Messer heraus. Mit dem Messer schnitt er das kleine Kind in den Finger, fing einen Tropfen Blut mit der Feder auf und wollte in das Buch schreiben. Bis dahin war der horchende Mann sprachlos gewesen vor Entsetzen. Da fand er in diesem entscheidenden Augenblick plötzlich sie Sprache wieder und rief unwillkürlich: "O Jessas, was machet er au!" Als er hiemit den Namen "Jesus" ausgesprochen hatte, verschwand der Spuk mit einem Schlage.

Von Geisterbannern, welche früher gelebt haben, werden große Thaten erzählt. Der Vater eines jetzt noch lebenden Mannes war ein solcher. Er bannte die Geister, wohin er wollte. Manchen hat er in einen "Stumpen" im Wald (Baumstumpf) gebannt. Solche Geister beschworen und baten ihn, sie ja nicht unter den freien Himmel zu bannen. Einst trug er einen Geist in einem Handschuh an einem Stecken über der Achsel heim. Der Geist war schwer, der Träger mußte gewaltig schnaufen. Ein Bekannter gesellte sich zu ihm und fragte, warum er so schnaufe, der Handschuh könne doch nicht so schwer sein, und erbot sich, denselben zu tragen. Als er ihn hierauf zu tragen bekam, hatte er aber sehr bald genug.

Die Hexen verwandeln sich gerne in Katzen. In dieser Gestalt sitzen sie manchmal den Weibern, mit denen sie Streit haben, auf ihre Tragkörbe, wobei sie die Trägerin durch ihr Geweicht fast zu Boden drücken.

Die Hexe oder der Hexenmeister hat einen Zauberspiegel, der durch verschiedene Manipulationen (er wird u.a. in einem Berg gegraben) seine wunderbaren Eigenschaften bekommen hat. In ihm sieht der Besitzer alles, was er wissen will.

Die Schäfer können ihren Pförch "festmachen", daß ein einbrechendes Vieh auf der Hürde sitzen bleiben muß, das gestohlene Schaf im Arm.

Sagen über ..... Tiere etc.:
Ein "Zoansle" (Zeisig) kann sich und sein Nest unsichtbar machen. Die gleiche Kunst besitzt der, welcher ein Zeisignest in der Tasche hat.
Wenn ein starker Wind geht, gebraucht man den Ausdruck: "Dr Wed ond sei Bua."
Bei einem Gewitter sagt man den Kindern: "Der Heiland hadert."
Wenn es schneit: "Der Heiland schüttelt `s Bett, jetzt fallen die Federn herab."
Bei Graupen: "`S kitzabohnelet."

Mondsveränderung bringt Witterungswechsel.

Bei zunehmendem Mond soll man nichts stecken, keine Bohnen, Kartoffel, Zwiebel.

Begegnende Schafe bedeuten Glück, ein Pudel oder eine schwarze Katze Unglück. Mannen, die frühmorgens mit Vieh auf den Markt wollen, werden fuchsteufelswild, wenn ihnen ein Weib begegnet und sie "braffelt"; das bedeutet Unglück.

Sagen über ...... Untergang von Ortschaften etc.:

Zwischen Rohrau und Ehningen liegt eine Quelle, deren Wasser als heilsam gilt. Dort lag einst der Ort Sulzau, zerstört im 30jährigen Krieg.
Ein gewisser Fußweg zwischen Rohrau und Ehningen heißt jetzt noch "`s Totenwegle."

Zwei Burgen gab es zu Rohrau, eine auf einem Bergvorsprung des Schönbuch 1 km südlich von Rohrau. Dieser Berg wird heute noch Schloßberg genannt. Ruinen sind nicht mehr vorhanden, dagegen ein tiefer, offenbar künstlich angelegter Schloßgraben. Der Edelmann, der dorten hauste, nannte sich Freiherr vom Horn, weshalb der zum Schloßberg führende Weg noch heutzutage Hornsteige und die umliegenden Äcker "Hornäcker" heißen. Er war sehr reich. Noch jetzt liegt ein Teil seiner Schätze dort vergraben. Im Schloßgraben war einst ein Loch, das war ein sehr tiefer Brunnen oder Keller. Jetzt ist eine große Steinplatte darauf.

Daß auf dem Schloßberg noch Geld vergraben sein muß, kann man auch daraus schließen, daß der "Schloßberger" umgeht. Denn Menschen, welche verborgene Schätze zurücklassen, müssen "gehen", bis man das Geld gefunden hat. So starben einst in Rohrau 2 arme, "blöde Kerle", die von der Gemeinde in Kost gegeben waren. Diese hatten etliche zusammengebettelte Kreuzer im Bettstroh versteckt, um sich gelegentlich einen guten Tag zu machen. Und siehe! Sie kamen wieder, bis man nachforschte und das Geld fand. Dann kamen sie nicht mehr.

Außer im Keller auf dem Schloßberg liegen auch "auf der Burg" Schätze vergraben.

Auf der Burg stand das zweite, jüngere Schloß. Den Platz nimmt jetzt die Kirche ein. Es ist ein wohl künstlich aufgeworfener Hügel, 2 - 3 m hoch .Um denselben herum war einst ein See, weshalb die Grasplätze um die Kirche jetzt noch im See heißen. Der Hügel heißt die Burg, welche Bezeichnung als Beweis betrachtet wird, daß hier eine Burg stand. Weitere Überlieferungen von derselben sind nicht vorhanden.

Von der Burg auf dem Schloßberg gingen 2 unterirdische Gänge aus, der eine ging nach Mönchberg, der andere nach Herrenberg.
Eine Straße sei vom Schloßberg herab zur Burg gegangen, deren Spuren man heute noch sieht. Da, wo sie über den Acker ging, wird das Korn nicht so hoch wie daneben.

Sagen über ........ Krieg:

An einem Bergvorsprung im Nordwesten von Rohrau, dessen einer Abhang gegen Süden gekehrt und vor den Nordwinden geschützt ist, wurde einst Wein gebaut, weshalb diese Halde noch jetzt in den Weinbergen heißt. Im siebenjährigen Krieg (wurde behauptet) haben die Soldatem diese Weinberge verwüstet und seither sind sie abgegangen.

Volksdichtung:

Volkslieder:
Die Lieder Nro.1 - 6 sind von alten Männern, Nro. 4 - 10 von jungen Mädchen.
Nro. 1 - Edle Freiheit, du mein Leben

Edle Freiheit, du mein Leben
Schnell fließt meine Zeit dahin,
Schnell fließt meine Zeit dahin.
Ach in Trauer muß ich leben,
Weil ich ein Soldat jetzt bin,
Weil ich ein Soldat jetzt bin.

Schon in meinen jungen Jahren
Mußt ich in Soldatenstand.
:/ Da bekam ich graue Haare
Mit zurück ins Vaterland. /:

Einstmals ward ich angetroffen,
Als ich einen Fehler thu,
:/ Heißt es gleich: Er ist besoffen,
Führt ihn auf die Hauptwach zu! /:
*
Nro. 2 - Es stehen drei Sterne am blauen Himmel

Es stehen drei Sterne am blauen Himmel,
Die geben der Welt ihren Schein.
Gott grüß sie euch schöne Jungfrauen,
Wo stell ich`s mein Pferde hinein,
Wo stell ich`s mein Pferde hinein?

Nimm du es dein Pferde beim Zügel, beim Zaum,
Binds an den Feigenbaum,
Und setz dich eine kleine Weil nieder,
:/ Eine kleine Weil nieder und ruh! /:

Darfs auch nicht sitzen, darfs auch nicht ruhn,
Darfs auch nicht fröhlich sein;
Mein Herze möchte mir es zerspringen,
:/ Herzallerliebste, von wegen dem dein. /:

So geht's, wenn ein Mädchen zwei Knaben will haben
Thuts wunderselten ein gut.
Wir beide, wir habens erfahren,
:/ Was falsche Liebe nicht thut. /:
*
Nro. 3 - Und es fallt mer halt so schwer

Und es fallt mer halt so schwer
Voneinander zu gehen,
Leb nur wohl, leb nur wohl!
Auf das Wieder-um-zu-sehn!
Bist a hübsche Doandl,
Bist a feine Doandl,
Aber mei Doandl bist du`s net!
Will der `s Maule macha,
Will de ause lacha,
Aber heirate thua de net!
*
Nro. 4 - Ich bin ein lust`ger Jägersknecht

Ich bin ein lust`ger Jägersknecht,
Schieß auch recht,
Schieß auf einen grünen Specht.
Und der Specht hat grüne Federn.
Wohl durchs Gebüsch!
Wenn ich ihn erwisch
Schieß ich ihm aufs Leder.

Und was ein Jäger haben soll,.
Hab ich schon.
All meine Taschen, die seins voll,
Pulver und Blei; und eine Kugel
Schieß ich fix
Aus meiner Büchs
Nach einem Vogel.

Stell mich unter die Linde hin
Mit Plaisier (?),
Wollt auch sehen, was da passier.
Hier und dort ist nichts zu finden,
Als hier und dort
Und an jenem Ort
Unter jener Linden.

Stell mich unter die Kammerthür
Mit (Plaisier(?)) Gewehr,
Wollt auch sehen, was da passier.
Liebchen hebt die Hand in d` Höhe.
Vor ihrem Bett
Stand sie so nett
Und fangt die Flöhe.

Hätt` sie mir ein Wort gesagt
Von der Jagd,
Hätt` so gern eins mitgemacht.
Will mich das auch nicht verdrießen
Daß ich kann
Die ganze Nacht
Kein Wildbret schießen.
*
Nro. 5 - Noch so eins, noch so zwei
(ist ein kleins Stupferle:)

1. Noch so eins, noch so zwei,
Dann wolle mer heimwärts gea..
Noch so eins, noch so zwei,
Dann woll mer heim.

Die, wo scho heim wölla gau,
Die wern koa Geld mehr hau.
Noch so eins, noch so zwei,
No gehen mer heim!
*
Nro. 6 - Mutter mir thuat `s Bauchele weh
ist ein Spottlied, das früher die Bursche den ledigen Mädchen gesungen haben, welche schwanger wurden. Dasselbe hat noch 3 Verse, welche aber zu derb sind, so daß sie hier nicht aufgezeichnet werden können.

Mutter mir thuat `s Bauchele weh,
Bauchele weh.
Glaub, du muaßt zum Dokter geh`n,
Hin, hin, hin, han, han. han
Glaub, su muaßt zum Dokter geh`n.
*
Nro.7 - Nun ist die Zeit und Stunde

Nun ist die Zeit und Stunde,
Wir reisens nach Amerika.
Der Wagen steht schon vor der Tür,
Mit Weib und Kinder ziehen wir.
Der Wagen steht schon vor der Tür,
Mit Weib und Kinder ziehen wir.

Ihr Freunde all und Anverwandt`,
Gebt mir zum letzten mal die Hand!
:/ Ihr Freunde, weinet nicht so sehr!
Wir sehen einander nimmermehr. /:

Nun kommen wir aufs hohe Meer;
Der Wind treibt uns bald hin, bald her.
:/ Wir fürchtens keine Wassersg`fahr
Und denken: Gott ist überall. /:

Jetzt kommen wir nach Baltimore,
Dort heben wir den Hut empor
:/ Und rufens laut: Viktoria!
Jetzt sind wir in Amerika! /:

Jetzt kommen wir in d`Stadt hinein,
Im ersten Wirtshaus kehr`n wir ein
:/ Und Trinkens eine Flasche Wein
Und lassens Deutschland Deutschland sein. /:

Jetzt will ich meinem Bruder schreiben,
Er soll nicht mehr in Deutschland bleiben,
:/ Er soll verkaufen, was er hat,
Und ziehen nach Amerika. /:
*
Nro. 8 - Ich ging einmal bei (?) nächtlich stiller Heide

Ich ging einmal bei (?) nächtlich stiller Heide,
Des Nachts bei hellem Mondenscheine
Sah ich von fern ein Mädchen stehn.
Die war so schön wie eine Rebe,
Die war bei Gott, so wahr ich`s lebe,
So schön, wie ich`s noch nie gesehn.

Als sie mich sah, da wollt sie fliehen,
Aber unfruchtbar war ihr Bemühen,
Ich faßte sie beim Kleid und sprachs:
Ei Mädchen willst du mich verlassen,
Willst du mich lieben oder lassen?
Ihre Antwort war ein leises Ja.

Wir setzten uns im Grünen nieder.
Ich küßte sie und sie mich wieder,
Wir kannten uns vor Liebe kaum
Und so verschwand sie unter Küssen -
Wollt ihr das Lied noch weiter wissen?
Ich wachte auf - es war ein Traum.
*
Nro. 9 - Zwei verliebten sich in einem Sinn

Zwei verliebten sich in einem Sinn
Sie liebten sich in Demut hin.
Sie liebten sich so inniglich,
Das Schicksal traf sie sicherlich.
Sie liebten sich so inniglich,
Das Schicksal traf sie sicherlich.

Der Jüngling wollt auf Reisen gehen,
Sein Liebchen läßt er traurig stehn.
:/ Die Mutter spricht: ,Mein liebes Kind,
Du weinst dirs deine Äuglein blind." /:

,Ach Mutter, das hat keine Not.
Ich wollt, ich wärs bei meinem Gott;
:/ Für mich giebts keine Freude mehr;
Wenn ich nur nie geboren wär`./:

Die Mutter schrieb auf dieses Wort
Einen Brief an den Geliebten fort,
:/ Wenn er nicht kehre bald zurück,
Verloren wär` sein schönstes Glück. /:

Der Jüngling macht sich aus der Fern`,
Er kehrt zu seinem Liebchen gern.
:/ Aber ach! Aber ach! Was da geschah,
Als er sein krankes Liebchen sah. /:

Er nahm sie weinend in seinen Arm,
Sie wurd schon kalt und nicht mehr warm,
:/ Sie wurd schneeweiß wie ein Engelein
In seinen Armen schlief sie ein. /:

Er ließ sich machen ein schwarzes Kleid
Von wegen seiner Traurigkeit,
:/ Dies trug er sieben volle Jahr,
Bis daß sein Liebchen vergessen war. /:

Er ließ sie setzen wohl ein`n Grabstein,
Ein`n Stein aus lauter Marmor fein,
:/ Auf diesen soll geschrieben sein:
Hier ruht mein Liebchen ganz allein. /:
*
Nro. 10 - Wo gehst du`s hin, du Stolzer?

Wo gehst du`s hin, du Stolzer?
Was hab ich dir Leides gethan?
Du gehest an mir vorüber,
Du schauest mich gar nicht mehr an.
Du gehest an mir vorüber,
Du schauest mich gar nicht mehr an.

Die Blumen, die seins gewachsen,
Ein ganzer Garten voll.
:/ Mein Schatz, der liebt eine andere,
Ju, ja! das weiß ich wohl. /:

Es flogen drei schneeweiße Tauben
Wohl über den Tannenwald.
:/ Im Sommer, da ist es so lieblich,
Und im Winter, da ist es so kalt. /:*

Kinderlieder.
Ringa, renga Raja
`s Kätzle goht ge Maja,
Holt em Vadder Schnupfdabagg,
Schreiet alle quak, quack, quack,
Hurratsch!*

Kinder wollen Körbchen flechten,
Haben ja kein Stroh dazu,
Wollen mir ein Mädchen nehmen,
König, Kaiser, geh zur Ruh.
N. du, N. N. du,
Schließ das Körbchen weiter zu!*

Blauer, blauer Fingerhut
Steht den Mädchen gar zu gut.
Mädchen, du mußt tanzen
Mit deinem blauen Kranze!
Mädchen, du mußt stille stehen!
Mädchen, du mußt niederknien!
Mädchen, du mußt auferstehen
Und dir einen zill" (?) !*

Wenn sich das Kind wehgetan:

Drei Tag Regen, drei Tag Schnee,
Morga thuats nemme weh!*

Storch, Sdtorch, Schniebel, Schnabel
Mit dein`ra langen Haigabel,
Fliag übers Becka Haus,
Hol mer zwe Wegga raus,
Mir oan, dir oan,
Ond de baise Buaba koan!*

Schneck, Schneck, streck` deine lange Hoarn raus,
Oder i schmeiß de übers Herraberger Thoar naus.*

Nachbar- und Ortsneckereien.
Die Nufringer nennt man "Füllesbroter", weil sie einst in die Schinderhütte eingebrochen sind, ein verendetes Füllen geholt, es gebraten und gegessen haben.

Die Hildrizhäuser (Hausemer) nennt man "Schneetreppler". - Einst war eine Hochzeit in Altdorf. In der Nacht vorher hatte es tüchtig geschneit. Zu "Hausen" aber war kein Bahnschlitten. Da faßte man den Beschluß, jeder solle sich mit Brettchen ausrüsten, dann wolle man ausziehen und gemeinschaftlich "Bahn" durch den Schnee "treppla."

Sprichwörter etc.:

,Mit Jägern und Pfaffen
Hab nichts zu schaffen.
*
Oft gebraucht wird auch:
Do hilf `s Bätta nex,
Do muaß Mischt nan!
*
Mundart:

Namen:
Name des eigenen Orts: "Roara"

Straßennamen: "d` onter Gaß", "en der Nufrenger Schtroß", "en der Hofstatt"

Spitznamen:
Die Ehninger nennt man "Entabruater". Einst setzte ein Bürgersmann eine Bruthenne mit Enteneiern. Sie wurde jedoch kaput. Weil ihn die Eier "keiten", daß sie "hin" sein sollten, setzte er sich selbst auf die Enteneier, um sie vollends auszubrüten.

Die Gärtringer nennt man "Keanspälter" und "Besenbinder."
*
Vo Ehnenga ohne Spott,
Vo Roara ohne Kropf,
Vo Nufrenga ohne g`schlaga
Der kann vo Wunder saga.
*
Den Rohrauern rufen in andern Orten die bösen Buben nach:

I ben vo Roara bei Sandstoa em Gai,
I kann nemme senga, mei Kropf thuat mer wai!

oder:

Dan`d, Dan`d, Dilwerdan`d,
Raotdan`d, andere Dan`d
ond Dan`d.
(Sand, Sand, Silbersand, Rotsand, andern Sand - und Sand!)
*
Eine sprichwörtliche Redensart bei den Nachbarn lautet:

Gang net noch Raora,
No beißt de koa Gans..
*
Ruf- und Locknamen etc.:

Man nennt:
junge Hühner - Bibbala
junge Enten - Geudla
junge Gänse - Wearla

und sagt zu den Kindern

"Guggelug" statt Kuckuck

Merkwürdige Ausdrücke etc.:
Man sagt:

Malmboden - für Lehmboden,
Stubag`schlaif - für Plafond,
Blätze oder Baile - für Wunde
moarna morga - für morgen früh,
Faubal - für Spielball
der Trester - statt die Trester (Einzahl statt Mehrzahl)
a Rolle - statt ein Mannsbild,
G`schwei - statt Schwägerin,
des Dengle - statt das Mädchen,
überhaupt wird bei kleinen und großen Mädchen fast stets das pronomen personale neutr. statt fem. gebraucht.

Das pronomen personale der 1. Person heißt im Dativ und Accusativ "ich", z.B. "er ist bei ich gwäa" statt bei uns gewesen.

Ferner sagt man:

verklopft statt verschlagen, listig
hella statt neigen (ein Gefäß)
haart statt schwerlich
streng statt oft
Plotz statt Butter.
*
Statt Mädchen sagt man "Mensch" , auch in lobendem Sinn. "A reachts Mensch bedeutet ein rechtschaffenes Mädchen. Ebenso statt "Bursche" - "Kerle.
*
Besondere Redensarten etc.:
Bejahung: Jo
Verneinung: Nuan
Gruß: Kommst au? - Jo. oder: fleißig? - a bisle
Beim Zusprechen: Jetzt send Se noa so frei.
Nach der Erntebetstunde: I weunsch der au Glück ond Säga eien d` Ärnt.
Bei Besuchen im Trauerhaus: Traist ich Gott uiers Loads.
*
Früher, bei einem Leichenbegängnis nach der Grabrede wendete sich der erste Leidtragende und nach ihm die erste Leidtragende an das Trauergefolge mit den Worten: "I dank jedermann, wär mei`m Vadder (mei`m Bruder, mei`ra Muater etc.) bei der Leich gwesa ist."

Ges.
Kgl. BSchI
Weber

Quelle: Landesstelle für württembergische Volkskunde, Stuttgart
Transskription: Reinhard Caspers, Oberndorf a.N., 2004
Kursiv geschriebene Texte sind Ergänzungen des Transskriptors.