1 | 1. Fassung: Ich stand auf hohem Berge, sah' runter ins tiefe Tal. |: Ein Schifflein sah ich schweben, :| darin drei Grafen warn. |
2 | Der jüngste von den Grafen, der in dem Schifflein saß, |: gab mir einmal zu trinken, :| aus einem venedischen Glas. |
3 | Ach, Mädchen, du wärst schön genug, wärst nur ein wenig reich; |: fürwahr, ich wollt' dich nehmen, :| säh'n wir einander gleich. |
4 | Er zog von seinem Finger ein goldenes Ringelein: |:"Nimm hin, du Hübsche, Feine, :| das soll dein Denkmal sein!" |
5 | "Was soll ich mit dem Ringe, den ich nicht tragen kann, |: ich bin ein armes Mädchen, :| das stehet mir nicht an!" |
6 | "Und weil ich ja nicht reich bin, dass es dem Herren frommt, |: werd' ich die Zeit erwarten, :| bis meines Gleichen kommt." |
7 | Wenn deines Gleichen nun nicht kommt, was willst du fangen an?" |: "Dann geh' ich in ein Kloster, :| will werden einen Nonn'." |
8 | Es stand wohl an ein viertel Jahr, dem Grafen träumte es schwer, |: dass sein herzallerliebster Schatz, :| ins Kloster gegangen wär'. |
9 | "Steh auf, mein Knecht und tummle dich, sattle mir und dir ein Pferd! |: Wir wollen reiten Tag und Nacht, :| der Weg ist des Reitens wert!" |
10 | Und als der Graf geritten kam wohl vor des Klosters Tür, |: fragt er nach seiner Liebsten, :| ob sie darinnen wär'. |
11 | Sie kam herausgeschritten in einem schneeweißen Kleid. |: Ihr Haar war abgeschnitten, :| zur Nonn' war sie bereit. |
12 | Sie kam mit einem Becher, den sie dem Ritter bot; |: er trank und ein paar Stunden, :| danach war er schon tot. |
13 | Ihr Mädchen, lasst euch raten: Schaut nicht nach Geld und Gut! |: Nehmt einen braven Burschen, :| der euch gefallen tut! |
14 | 2. Fassung: Ich stand auf hohem Berge, und schaut ins tiefe Tal, ein Schifflein sah ich |:schwimmen:| worin drei Grafen warn. |
15 | Der Jüngste von den dreien, der in dem Schifflein saß, gab mir einmal zu |:trinken:| kühlen Wein aus seinem Glas. |
| 16 | Was zog er von dem Finger, ein goldnes Ringelein, sieh da, du Hübsche und |:Feine:| das soll dein Denkmal sein! |
17 | Was soll ich mit dem Ringe, bin gar ein junges Blut, dazu ein armes |:Mädchen:| hab weder Geld noch Gut. |
18 | Bist du ein armes Mädchen, hast weder Geld noch Gut, so gedenk an unsre |:Liebe:| die zwischen uns beiden ruht. |
19 | Ich gedenk an keine Liebe, ich gedenk an keinen Mann, ins Kloster will ich |:ziehen:| will werden eine Nonn. |
20 | Willst du ins Kloster ziehen, willst werden eine Nonn, ei so will ich die Welt |:ausreiten:| bis dass ich zu dir komm. |
21 | Es stund wol an ein Vierteljahr, dem Grafen träumt's gar schwer, wie dass sein herzallerliebster |:Schatz:| ins Kloster gegangen wär. |
22 | Der Herr sprach zu dem Knechte, sattle mir und dir zwei Pferd, wir wollen allbeide |:reiten:| der Weg ist Reitens werth. |
23 | Und als er kam vor's Kloster, ganz leise klopft er an, wo ist die jüngste |:Nonne:| die 'letzt ist kommen an. |
24 | Es ist ja keine drinnen, es kommt auch keine raus, ei so will ich das Kloster |:anzünden:| das schöne Nonnenhaus. |
25 | Da kam sie hergeschritten, schneeweiß war sie gekleid't, ihr Haar war |:abgeschnitten:| zur Nonn war sie bereit. |
26 | Sie hieß den Herrn willkommen, willkommen im fremden Land, wer hat euch geheißen |:kommen:| wer hat euch hergesandt. |
27 | Der Graf wandt sich voll Sehnen, die Red ihn sehr verdross, dass ihm die heißen |:Tränen:| von seinen Wangen floss. |
28 | Sie bot dem Herrn zu trinken, aus ihrem Becherlein, in zwei, drei |:Viertelstunden:| brach ihm sein Herz entzwei. |
29 | Mit seinem blanken Degen, grub sie ein Gräbelein, mit ihren zarten |:Händen:| legt sie ihn selber 'nein. |
30 | Mit ihren rothen Lippen, sang sie sein' Grabgesang, mit ihrer hellen |:Stimme:| schlug sie den Glockenklang. |
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