| 1 | Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten - einer reichen Erbin von dem Rhein. Gewissensbisse, die den Armen quälten, ließen ihn nicht ruhig schlafen ein. |
| 2 | Zwölfe schlug's, da trat durch die Gardine eine weiße Frau'ngestalt hervor. Was erblickt' er? - Seine Wilhelmine, die im Sterbekleide vor ihm stund. |
| 3 | "Erschrecke nicht", sprach sie mit sanfter Stimme, "liebster Heinrich zittre, zittre nicht! Ich erscheine nicht vor dir im Grimme! Deiner neuen Liebe zürn' ich nicht!" |
| 4 | "Doch der Kummer hat mein junges Leben, liebster Heinrich, plötzlich abgekürzt. Doch der Himmel hat mir Kraft gegeben, dass ich nicht zur Hölle bin gestürzt." |
| 5 | "Weine nicht, denn eine Welt wie diese, ist der Tränen, die du weinst, nicht wert! Lebe froh und glücklich mit Elise, welche du zur Gattin hast erwählt!" |
| | 6 | "Lebe froh nun alle Tage, bis du einst vor Gottes Thron wirst steh'n, wo du strenge wirst gerichtet werden für die Liebe, die du einst verschmäht'." |
| 7 | "Schätze hast du, oh benütze sie zu dein- und meiner Seelenruh'! Schaffe Ruhe Deiner Wilhelmine, deren einst'ge Seligkeit warst du!" |
| 8 | "Opfern sollst du, Heinrich, wie geboten, Heinrich, Heinrich", ruft es durch die Nacht. Da verschwand die einstige Verlobte. - "Einen Scherz nur hast du dir gemacht", |
| 9 | sagte Heinrich und er lebt' wie immer tat des Bösen ohne Halt und Ziel, dachte Wilhelminens Mahnung nimmer, tat des Bösen jeden Tag noch viel. |
| 10 | Gnade fand sie, doch ihr Ungetreuer war verloren ohne Wiederkehr. Als ein Teufel und ein Ungeheuer irrt sein Geist um Mitternacht umher. |
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