Das Schloß in Österreich

  
Quellen: Deutscher Liederhort (Hrsg.): Ludwig Erk 1856
Aufzeichnung: Mündlich überliefert, aus verschiedenen Gegenden
Auch bekannt unter:
Anstimmen:
  
1Es liegt ein Schloß in Österreich,
das ist ganz wohl erbauet,
von Silber und von rothem Gold,
mit Marmorstein gemauert.
2Darinnen liegt ein junger Knab,
auf seinen Hals gefangen
wol vierzig Klafter tief unter der Erd,
bei Ottern und bei Schlangen.
3Sein Vater kam von Rosenberg,
wol vor den Thurm gegangen,
ach Sohne, liebster Sohne mein,
wie hart liegst du gefangen.
4Ach Vater liebster Vater mein,
so hart lieg ich gefangen,
wol vierzig Klafter tief unter der Erd,
bei Ottern und bei Schlangen.
5Sein Vater zu den Herren gieng,
sprach, gebt mir los den Gfangenen,
dreihundert Gulden die will ich euch gebn,
wol für des Knaben sein Leben.
6Dreihundert Gulden die helfen nicht,
der Knabe der muß sterben,
er trägt von Gold eine Kett um den Hals,
die bringt ihn um sein Leben.
7Trägt er von Gold eine Kett um den Hals,
die hat er nicht gestohlen,
hats ihm ein zart Jungfräulein verehrt,
dabei sie ihn erzogen.
8Man bracht den Knaben wohl aus dem Thurm,
gab ihm die Sacramente,
Hilf, reicher Christ vom Himmel hoch,
es geht mir an mein Ende.
9Man bracht ihn zum Gericht hinaus,
die Leiter mußt er steigen,
Ach Meister, lieber Meister mein,
laß mir eine kleine Weile.
10Eine kleine Weile laß ich dir nicht,
du möchtest mir sonst entrinnen,
langt mir ein seiden Tüchlein her,
daß ich ihm seine Augen verbinde.
11Ach, meine Augen verbinde mir nicht,
ich muß die Welt anschauen,
ich seh sie heut und nimmermehr,
mit mein schwarzbraunen Augen.
12Sein Vater beim Gerichte stund,
sein Herz wollt ihm zerbrechen,
Ach Sohne, liebster Sohne mein,
dein Tod will ich schon rächen.
13Ach Vater, liebster Vater mein,
mein Tod sollt ihr nicht rächen,
bringt meiner Seelen ein schweres Pein,
um Unschuld will ich sterben.
14Es ist nicht um des Leben mein,
noch um mein stolzen Leibe,
es ist um meine Frau Mutter daheim,
die weinet also sehre.
15Es stund kaum an den dritten Tag,
ein Engel kam vom Himmel,
sprach, nehmt den Knabn vom Gerichte ab,
sonst wird die Stadt versinken.
16Es stund kaum an ein halbes Jahr,
der Tod der ward gerochen,
es wurden an dreihundert Mann,
ums Knaben willen erstochen.
17Wer ist, der uns das Lied erbracht,
gesungen auch zugleiche,
das haben gethan drei Jungfräulein,
zu Wien in Österreiche.
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