Der Vorwirth

  
Quellen: Deutscher Liederhort (Hrsg.): Ludwig Erk 1856
Aufzeichnung: mündlich aus Schlesien mitgeteilt durch Herrn Prof.Hoffmann v. Fallesleben
Auch bekannt unter:
Anstimmen:
  
1Es wollt ein Herr ausreiten,
er ritt wol in die Weite.
2Er ritt wol übern geweihten Kirchhof,
da schrien ihm die Todten nach.
3Reit sachte, o lieber Herre mein,
du reitest mir über mein Gräbelein.
4s ist heutigen Tags ein Jahr gewest,
und das du mich erschlagen hast.
5Hab ich dich gleich erschlagen,
die Sünde muß ich tragen.
6Ich hab mir genommen dein Wittfräulein,
ich erzieh dir deine Waiselein.
7Mit was ziehst du meine Kindlein groß,
mit Beten, Schlägen und scharfer Noth.
8Hättst du mich lieber am Leben gelan,
ich hätt mir sie wollen schon selber schlan.
9Ich laß meiner Frau mittesagen,
sie soll nicht so weinen und wehklagen.
10Sie soll nicht so weinen und traurig thun,
sie stört mir meine ganze Ruh.
11Sie soll auf den Abend kommen zu mir,
wenn alle die Leute werdn schlafen gehn.
12Wenn alle die Thüren verschlossen sein,
und alle die Gräber weit offen sein.
13Sie soll mir mittebringen,
von weißer Leinwand ein Hemde.
14Das erst ist mir geworden so naß,
was weint sie immer, was thut sie das.
15Und wie der Herr zu Hofe einritt,
die Frau ihm schon entgegen schritt.
16Bis mir willkommen, o Herre mein,
warum thust du denn so lange sein?
17Warum soll ich denn nicht lange sein,
wenn mich die Todten aus den Gräbern anschrein.
18Dein vorger Mann läßt dir mittesagen,
du sollst nicht so weinen und wehklagen.
19Du sollst nicht so weinen und traurig thun,
du verstörst ihm seine ganze Ruh.
20Du sollst auf den Abend kommen zu ihm,
wenn alle die Leute werdn schlafen gehn.
21Wenn alle die Thüren verschlossen sein,
und alle Gräber weit offen sein.
22Du sollst ihm mittebringen,
von weißer Leinwand ein Hemde.
23Warum hast du gemacht ihm den Kittel so naß,
ach lieber Gott, warum thust du das?
24Ich will ihm ein Hemde lassen schneiden,
von lauter Sammet und von Seiden.
25Von Sammet und Seiden und rothem Gold,
weil ich an seinem Todt bin schuld.
26Der Herr der war nicht faule,
er schlug die Frau ins Maule.
27Er schlug die Frau ins Angesicht,
ist dir dein vorger Mann lieber als ich.
28Die Frau die nahm ihr ein Stecken,
sie gieng auf den Kirchhof wecken.
29Thu dich auf, thu dich auf, du Erdenkloß,
und nimm mich hinunter in seinen Schooß.
30Was willst du denn hier unter thun,
hier unten hast du keine Ruh.
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