Weckruf aus der Holzröhre - Reutlinger Generalanzeiger

Ausstellung - Das Alphorn ist keine rein Schweizer Angelegenheit, wie eine Schau zu Hirtenhörnern in Bad Urach zeigt Weckruf aus der Holzröhre VON ARMIN KNAUER BAD URACH. »Wäärr hat's ärrfundän?« Natürlich die Schweizer. Das Taschenmesser, die Präzisionsuhr und das Alphorn. Aber Moment mal, da gibt es Einspruch: Das Alphorn nämlich, beziehungsweise die Instrumentenfamilie der Hirtenhörner, zu der es gehört, sei bis vor 100 Jahren in ganz Europa und nicht zuletzt auch in Schwaben zu Hause gewesen. Genauso wie übrigens der keineswegs rein schottische Dudelsack. Das sagen jedenfalls die Experten vom Haus der Volkskunst in Balingen. Und die können es auch belegen. Was sie nun mit der sehenswerten Ausstellung »Hirtenhörner in Schwaben« in der Uracher Kreissparkasse tun. Dort deshalb, weil Urach als Schäferlaufstadt für das Thema prädestiniert ist. Und weil die Ausstellung gleich das Landesfest des Schwäbischen Albvereins einläutet, das am 12./13. Juni in die heiße Phase tritt. Am Freitagabend war Vernissage. Und dort konnte man nicht nur knapp 20 Originalinstrumente in ihrer ganzen zeitgegerbten hölzernen Pracht bewundern. Sondern man konnte ihnen auch lauschen. Oder jedenfalls Nachbildungen, die Musiker vom Haus der Volkskunst von der Empore herab bliesen. Vor allem aber bekam man von den Organisatoren der Schau, den Musikexperten Manfred Stingel und Eckhard Böhringer vom Haus der Volkskunst, erklärt, was es mit den Hirtenhörnern auf sich hat. Warum sie früher allgegenwärtig waren und warum sie ausstarben. Also: In Zeiten, da die Leute ohne Internet, Fernseher und Radiowecker auskommen mussten, brauchte es ein verlässliches Zeitsignal. Und das, so Stingel, gab das Hirtenhorn. Mit ihm blies der Türmer im Flecken die Stunde, auf ihm bliesen morgens die Viehtreiber, ehe sie das Vieh bei den Bauern abholten. Und als die Uhren aufkamen, die traditionelle Weidewirtschaft darniederging, hieß es auch ade, du liebes Hirtenhorn. Ausgenommen in der Schweiz, wo man seinen touristischen Marktwert erkannte. Wie verbreitet die Hirtenhörner waren - meist kleiner als die heutigen in der Schweiz - zeigen Reproduktionen von Bilddokumenten, die Stingel zusammengetragen hat. Tatsächlich prangt ein kleines Exemplar bereits 1316 auf einem Uracher Stadtsiegel. Auf größeren Exemplaren blasen die Engel zum Jüngsten Gericht, etwa auf Miniaturen des Klosters Reichenau um 1000 oder an den Portalen des Ulmer Münsters. Im Alltag dürfte es im Verein mit Dudelsack und Schalmei auch die dörflichen Tanzböden zum Beben gebracht haben. Auch davon gab es bei der Vernissage eine Kostprobe. Und schließlich auch jenen typischen Einsatz des Hirtenhorns als Liedbegleiter zum morgendlichen Weckruf. Es musizierten Ingmar Seiwerth am Dudelsack, Hanna Seiz an der Schalmei, Michael Roos, Eugen Kromer und Rüdiger Backes an den Hirtenhörnern sowie Jürgen Schempp als Sänger. (GEA)

 

03.06.2010 | Manfred Stingel | Aktuelle Informationen; Berichte von Aktivitäten (Reisen - Feste usw)
 
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